Geschichten aus der Provinz

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Wo in Norddeutschland der Virginia gedeiht

Der Tabakbauer von Gnutz

Gnutz - "So ab und zu" greift Henning Rohwer auch noch mal zur Zigarette. In dem, was sich dann als blauer Rauch in der Luft kringelt, ist möglicherweise auch sein eigener Stoff mit drin: Der 45-jährige Gnutzer Landwirt baut Tabak an. 

Foto Gollnik: Henning Rohwer auf seinem Tabakfeld
Noch sind die Pflanzen klein: Henning Rohwer auf seinem Tabakfeld. Foto: Gollnik

Rohwer ist einer von wenig mehr als einer Hand voll schleswig-holsteinischer Bauern, auf deren Böden Virginia-Kraut der Sorte Glotha wächst. Noch jedenfalls. Denn nicht nur die schleswig-holsteinischen Tabakbauern leben eigentlich schon lange nicht vom Tabak, sondern eher schlecht als recht von den Subventionen, die die EU für dessen Anbau ausgibt und die demnächst gänzlich wegfallen sollen; die machen locker das Vierfache des eigentlichen Marktpreises von nicht mehr als einem Euro pro Kilogramm aus. Dennoch: "Das bringt schon seit zwölf, dreizehn Jahren kein Geld mehr", sagt Rohwer, der einmal sieben Hektar mit Tabakpflanzen besetzt hatte; inzwischen sind es nur noch eineinhalb, und Rohwer hat sich auf Milchwirtschaft konzentriert. 

Dabei hatte schon sein Großvater Claus Eggert (der selber Nichtraucher war) in Gnutz Tabak angebaut, "nach dem Krieg; das war aus der Not heraus, weil man damals nirgendwo Tabak bekommen konnte". Selber rauchen mochte das kratzige Kraut aber bald schon kaum noch jemand - die Tabakindustrie kaufte es schließlich als "Beimischung" auf, der "Schleswig-Holstein-Blend" soll angeblich zu kräftige Tabake rauchbarer machen. Das ist bis heute so. Und auch bis heute bauen in Gnutz außer Rohwer noch zwei andere Landwirte weiter ihre Tabakpflanzen an: Henning Mehrens und Jochen Horstmann; Schluss mit dem nördlichsten Tabakanbaugebiet Europas ist erst hinter Kleinvollstedt, da wo die Virginia-Felder von Alfred Naudzus enden. 

Dort, wie auch in Gnutz, will der Tabak erst noch groß werden, mannshoch wird die Pflanze, ab Mitte Juli bis Ende September wird geerntet, in mehreren Durchgängen, Blatt für Blatt, unten angefangen, die beste Sortierung gibt das oberste Blatt ab - "das kostet eine Menge Zeit, ist sehr arbeitsaufwändig", sagt Henning Rohwer. 

Ebenso arbeitsaufwändig ist die Sortierung - und dann wird's richtig teuer: Drei Wochen wird getrocknet, mit Ölheizung. "Ein Liter Heizöl auf ein Kilogramm Tabak" rechnet der Gnutzer Tabakbauer vor - "da bleibt dann nicht mehr viel". Zwei seiner drei Trockenöfen hat er inzwischen still gelegt, "dabei sind die noch lange nicht auf". 

Bei der Abnahme durch den Rauchtabakhersteller ist auch der Zoll dabei - wegen der Steuer. "Da kommen gleich drei oder vier Beamte, der Transporter fährt erst los, wenn er verplombt ist". Gelegentlich schauen sie auch mal auf Rohwers Feld nach - ob die gemeldete Fläche auch stimmt, nichts an den Behörden vorbei lanciert ist.

Wobei der Vorgarten-Anbau auch Nicht-Gnutzern durchaus erlaubt ist. Bis zu etwa 100 Tabakpflanzen dürfen's auch ohne Steuer-zahlen sein; macht so bummelig fünf Kilogramm Tabak - oder um die 6000 Selbstgedrehte. Ob's dann auch schmeckt? Henning Rohwer hat's mal probiert, sagt er - und dabei verzieht er ganz übel das Gesicht… 

PETER J. GOLLNIK, 2007



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