Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt; vor Vervielfältigung und/oder Weitergabe setzen Sie sich bitte mit dem Rechte-Inhaber in Verbindung: Peter J. Gollnik, Nierott 30, 24214 Gettorf
"Ich habe die Ehre, Ihnen eine kurze Zusammenfassung
meiner Untersuchungen zu geben, die nach meiner Überzeugung
zu dem sicheren Ergebnis führen, dass Nordamerikas Festland
von einer vom dänischen König Christiern I. ausgesandten
Expedition entdeckt wurde - zwanzig Jahre bevor Columbus die Fahne
Kastiliens auf Guanahani [1][1] Dr. phil. Sofus Larsen, Direktor der Universitätsbibliothek und des Universitätsarchives Kopenhagen, am 21. April 1925 vor der Kgl. Dankske Geogr. Selskab, wiedergegeben in Georgrafisk Tidsskrift, Band 28 (1925): "...skal jeg i Aften have den Ære at give et kort Resumé af de Undersøgelser, der efter in Overbevisning fører til det sikre Resultat, at Nordamerikas Fastland blev opdaget af en 'Ekspedition, udsendt af den danske Konge Christiern I, tyve Aar för Columbus plantede Kastiliens Fane paa Guanahani". Im selben Jahr veröffentlichte Larsen seine Schrift "The Discovery of North America twenty years before Columbus" bei Levin & Munksgaard in Kopenhagen und Hachette in London.
aufgepflanzt hat."
Vor mehr als einem halben Jahrtausend auf
Pergament geschrieben: Peter Gollnik mit dem Folianten,
in dem die Abschlussrechnung der Hamburger Senatoren mit ihrem
"Utligger"-Kapitän Hans Pothorst penibel
aufgezeichnet ist. |
Das, was Sofus Larsen, Philologe,
Direktor ("Overbibliotekar")
der Universitätsbibliothek Kopenhagen, so am 21. April 1925
vor dem Vorstand der Königlich Dänischen Geographischen
Gesellschaft präsentierte, wollte ein Stückchen Weltgeschichte
geraderütteln. Kurz gefasst liefen Larsens Erkenntnisse darauf
hinaus: Dänemark habe gemeinsam mit Portugal 20 Jahre vor
Kolumbus eine Expedition ausgesandt, die (genau wie Kolumbus)
einen westlichen Seeweg nach Indien finden sollte. Tatsächlich
habe das mittelalterliche Nord-Süd- Joint Venture die damals
abgerissene Verbindung nach Grönland wieder aufgenommen,
von Grönlands Westküste aus die heutige Davisstraße
durchquert, sei an der Küste Labradors[2]An der Mündung des St. Lorenz-Stroms; Larsen sprach von einem, nämlich dem von "Pilotus" Johan Scolvus geführten Schiff der vermutlich aus drei Karavellen bestandenen Flotte.
gelandet und sodann
südwärts an Neufundland entlang gesegelt. Und auch Namen
nannte Larsen: Geleitet worden sei die Entdeckerflotte von Didrik
Pining und Hans Pothorst; "Pilotus" (wohl der Steuermann)
sei ein gewisser Johan Scolvus gewesen; Vertreter Portugals an
Bord Graf Joao Vaz Cortereal, womöglich auch dessen Landsmann
Alvaro Martins Homem.
Seine Überzeugung von der dänisch-portugiesischen Erst-Entdeckung
des amerikanischen Doppelkontinents stützte der Kopenhagener
"Overbibliotekar" wesentlich auf Karten und Aufzeichnungen
mittelalterlicher Geographen - als frühesten Hinweis nennt
er den 1537 entstandenen Zerbster Globus[3]Rainer Gemma Frisius' Globus steht heute auf der Liste der "Lost Art"; er war als Dauerleihgabe der Francisceumsbibliothek an das Zerbster Schlossmuseum gegen Ende des Weltkriegs II ausgelagert worden und verloren gegangen.
der "allerberømteste
Geografer" der Renaissance, Gemma Frisius und Gerhard Mercator:
Neben Grönland steht dort "Fretum trium fratrum, per
quod Lusitani ad Orientem et ad Indos et ad Mollucas navigare
conati sunt" (etwa: "Die Drei-Brüder-Strasse [d.
i.: die Davisstrasse] , durch die Portugiesen versucht haben,
nach Osten und nach Indien und zu den Molukken zu segeln").
Und auf dem selben Globus findet sich auf der nördlichen
Küste der Davisstrasse im westlichen Teil die Legende: "Quij
populi ad qous Joannes Scolvus Danus per-uenit circa annum 1476"
("Diese Völker hat der Däne Joannes Scolvus etwa
nach dem Jahr 1476 erreicht").
Selbstverständlich berief Larsen sich auch auf "eine
der wichtigsten Quellen zu diesem Fall", Schwedens letzten
katholischen Erzbischof und Historiker Olaus Magnus und dessen
"Carta Marina", "zum Lob und zur Ehre der königlichen
Stadt Danzig in Preußen und zum allgemeinen Nutzen herausgegeben
von Olaus Magnus Gothus aus Linköping im Jahre 1539 nach
Christi in Venedig". "Zwischen Island und Grönland",
schreibt Olaus Magnus in deren Erläuterungen, "liegt
ein hoher Berg, Hvitsark genannt, auf dessen Gipfel findet sich
(von zwei Seeräubern namens Pining und Pothorst gemacht)
ein Kompass mit Buchstaben aus Blei, der allen Seeleuten in den
Gewässern vor Grönland zum Schutz dienen soll"[4]Olaus Magnus, Carta marina, 1539, Venedig; Erläuterungen: Historia de gentibus septentrionalibus, 1555, Rom.
.
Wobei das wohl eher ins Reich der Legende gehört: "Kompasse"
aus Metall als Orientierungsmarken für Seefahrer waren zwar
in Nordeuropa sehr wohl im ausgehenden Mittelalter gängig,
allein der "Berg" dürfte eher zu Grönland
gehörig als "zwischen" Grönland und Island
gelegen sein (auf der Olaus-Karte ist er sogar südlich eingezeichnet);
Sofus Larsen nahm das nachsichtig: Olaus habe "nie seine
Füsse auf der Insel" gehabt, relativierte er.
Dennoch spielt die Karte des einstigen Uppsalaer Kirchenfürsten
und Weltenbeschreibers eine wichtige Bindeglied-Rolle in der Suche
nach frühen Verbindungen zwischen alter und neuer Welt: Mit
Datum vom 3. März 1551 diente der im damals zum dänischen
Königreich gehörenden Kiel als Bürgermeister fungierende
Buchhändler Carsten Grypp (oder Gripp, Grip, auch Griep)
dem Enkel von König Christian I., König Christian III.
(der gleichzeitig Herzog von Holstein war) gemeinsam mit einer
ganzen Liste ähnlicher Objekte einen Nachdruck dieser Karte
an (möglicherweise von Hieronymus Gourmontius, eine Kopie
auf Holz im Format 35,6 x 50 cm hat die Thüringische Landesbibliothek
Weimar, die komplette Olaus-Karte soll insgesamt aus neun solcher
Holztafeln bestanden haben), den er in Paris entdeckt zu haben
angab.
PETER J. GOLLNIK, 2007
► Teil 1: 21. April 1925 - Ein Bibliothekar rüttelt an der Geschichte
► Teil 2: Die Olaus-Karte - Was ein Kieler dem Dänenkönig schrieb
► Teil 3: Die Fahrt nach Westen - "Mit Gottes Hilfe" zum Ericsfjord
► Teil 4: Paul Pini - Der letzte Nachfahre des Amerika-Entdeckers
► Teil 5: Pinings "Pilotus" - War es Columbus?
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